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Stiftung Stralsunder
Schwesternheimathaus
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Silvia Parotat

»Je länger man hier arbeitet, desto besser kennt man die Gewohnheiten.«

Silvia Parotat ist Hauswirtschafterin und arbeitet seit 2002 im Haus.

Frau Parotat, was genau sind Ihre Aufgaben?
Als »Servicekraft« richte ich Frühstück und Abendessen an, reiche den Bewohnern das Essen, wenn nötig, sorge für Sauberkeit und Ordnung in Haus, Küche und Waschküche, halte Absprache mit Catering, Reinigungspersonal und Wäscherei, kümmere mich um die Auszeichnung der Wäsche der neuen Bewohner, verteile die gewaschene Wäsche auf die Zimmer.  

Wo haben Sie Kontakt zu den Bewohnerinnen und Bewohnern?
Zum Beispiel morgens in den Küchen der Wohnbereiche, wo ich Hilfestellung beim Essen leiste, den Kaffee einschenke, das Brot kleiner schneide. Oder beim Bettenbeziehen. Hier kommt man ins Gespräch, tauscht sich über das Wetter aus, erfährt auch mal, was bedrückt, was in der Familie gerade passiert. Und natürlich ist Essen und Trinken ein wichtiges Thema. Je länger man hier arbeitet, desto besser kennt man die Gewohnheiten. Die Bewohner freuen sich, wenn das Lieblingsmesser da liegt oder die Lieblingstasse auf dem Tisch steht. Sie freuen sich, wenn man sich gemerkt hat, wer lieber mit einer kleinen Gabel isst als mit einer großen. Wer zur Kaffeerunde Kaffee mit Milch oder ohne möchte oder Tee oder Kakao, wie das Brot geschnitten sein soll. Jeder hat seine Besonderheiten, der eine möchte eine Stulle mehr, der andere etwas weniger. Oder jemand hat früher gerne mal abends Milch mit Honig getrunken – den Wunsch erfülle ich dann gerne auch. Ich schaue darauf, dass genug getrunken wird, und wer  Probleme mit dem Essen hat.  

Was wird denn besonders gern gegessen?
Die Geschmäcker sind natürlich ganz unterschiedlich, der eine liebt süß, der andere keinen Fisch. Aber im Großen und Ganzen bevorzugen unsere Bewohner Hausmannskost: Schweinebraten, Königsberger Klopse, Schnitzel. Am besten schmeckt, was man von früher her kennt. »Früher gab´s öfter mal Tollatsch«, so ein Hausbewohner, ein norddeutsches Gericht aus Blut und Mehl mit Rosinen, etwas, wobei es mich eher schüttelt … Oder Löwenzahnsalat, warum es den nicht mal gebe, wollte ein Bewohner wissen. Aber das trifft nicht so den Geschmack der Mehrheit, ebenso wenig wie »modernere« Gerichte, Gyros mit Reis und Zaziki zum Beispiel. Natürlich gibt es ja nach Bedarf auch Extrakost, zum Beispiel bei Gicht oder Laktose-Intoleranz, aber an der leidet, soweit ich weiß, nur eine Bewohnerin. Vegetarier – ja, da hatten wir auch schon einige im Haus. Aber die Ernähungsgewohnheiten und Geschmäcker werden sich in den nächsten Jahren sicherlich ändern, weil viele der künftigen Heimbewohnerinnen und -bewohner ja heute aufgeschlossener sind gegenüber »fremden« Gerichten.

Sie sprechen bewusst von »Essen reichen« bei Bewohnern, die nicht oder nur schwer selber essen können. Keinesfalls von »füttern«, wie man so unbedacht sagt, wenn man mit der Materie nicht vertraut ist – oder einfach nicht nachgedacht hat. Gibt es noch andere »Sprachsünden«, die man vermeiden sollte?
Ja, wir reden nicht von »Latz« oder »Lätzchen«, sondern von »Kleiderschützern«. Es sind ja keine Kinder, sondern erwachsene Menschen. Und auch nicht von »Windeln«, sondern von »Inkontinenzprodukten«. Ja, und natürlich siezen wir die Bewohner. Aber da gibt es Ausnahmen. Wichtig ist: Auf was reagiert der alte Mensch besser? Gerade demente Menschen hören oft eher auf ihren Vornamen, denn mit dem sind sie am längsten vertraut. »Mensch, Irmchen, wie läufst du schon wieder herum, komm, wir ziehen die Schuhe mal richtig an«, kommt da oft besser an. Menschen mit Demenz bekommen sehr viel mehr mit, als man oft denkt. Vieles nehmen sie gefühlsmäßig, unterschwellig wahr. Auch wenn derjenige beim Frühstück nicht mit mir spricht – es ist wichtig, dass ich mit ihm spreche und erkläre, was wir gerade machen und was als Nächstes passiert.

Wo haben Sie das denn gelernt? Das gehörte doch sicher nicht zu Ihrer Ausbildung?
Nein, eher weniger, aber über die Jahre habe ich das bei der Arbeit gelernt. Ich habe immer viel nachgefragt und die Weiterbildungen haben mir auch sehr geholfen.
Dies ist ja ein christliches Haus. Was bedeutet das für Sie?
Damit hatte ich nie ein Problem, ich wurde getauft und konfirmiert.  Wir sprechen ja vor den Mahlzeiten Gebete oder lesen die Losung. Kurz nach der Ausbildung ist mir das schwergefallen. Manche Wörter waren unbekannt und schwierig auszusprechen, aber die Bewohner haben viel Verständnis gezeigt und geholfen.

Warum wollten Sie gerade mit alten Menschen arbeiten?
Es war mir immer wichtig, mit Menschen zu arbeiten. Meine Mutter war sehr sozial engagiert. Wir lebten auf dem Dorf und meine Mutter arbeitete in der LPG; als sie dann arbeitslos wurde, hat sie sich um ein paar ältere Damen gekümmert und uns mit eingespannt. Mich haben die Lebensgeschichten alter Menschen immer interessiert. Mit Kindern hätte ich nicht die Geduld. Und alte Menschen, denke ich, sind nachsichtiger. Wenn man mal einen Fehler macht, kann man hingehen, erklären, war nicht so gemeint, darüber reden.

Was wünschen Sie sich für Ihre berufliche Zukunft?
Ich könnte mir vorstellen, noch mehr mit den Bewohnern zu tun zu haben. Etwa in der sozialen Betreuung. Vor allem aber wünsche ich mir, nicht immer der Uhr hinterherlaufen zu müssen!

Interview: Beate Schneppen, 2016